Mehr Sprachen, mehr Theater: Simone Rist

Simone Rist | Foto: privat

vorgestellt von Hedda Kage

Über Simone Rist

Das künstlerische Leben und Werk der in Frankreich geborenen Sängerin und Schauspielerin, Regisseurin und Autorin wurde durch ihre  Zusammenarbeit mit Pierre Schaeffer an der GRM (Groupe de Recherches Musicales) in Paris und mit Künstlern wie Josef A. Riedl, Berio, Luigi Nono, Pierre Boulez, vor allem aber John Cage und Merce Cunningham geprägt und begründete ihre Karriere als Konzertsängerin Neuer Musik.

Ihre Mitte der siebziger Jahre erfolgte Übersiedlung nach Deutschland erforderte eine Neuorientierung in einer anderen Sprache und Theaterwelt, und so begann sie eine zweite Karriere als freie Regisseurin, Autorin und Schauspielerin.

Die Bandbreite ihrer weit über 80 musikalischen und performativen Produktionen reicht von Solostücken über Multimediainstallationen bis zu Inszenierungen mit Kindern und Jugendlichen. Drei Themen sind für sie stets zentral: Das Verhältnis von Stimme und Körper im künstlerischen Prozess, die historische, politische, psychosoziale Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland, und die Mehrsprachigkeit auf der Bühne.

Die europäische Kosmopolitin, die sich neben dem Französischen, Deutschen, Italienischen und Englischen auch im Russischen und Spanisch/Portugiesischen bewegen kann, mischt zuweilen Genres (Schauspiel, Tanz, Video und Streichquartett live) wie Sprachen in einer Inszenierung.

Von 1993 bis 2009 lebte und arbeitete sie in Stuttgart. Sie hatte die Hauptstadt Baden-Württembergs gewählt, weil ihr die Nähe zur Partnerstadt Straßburg die Möglichkeit bot, ihre szenischen Visionen mit zweisprachigen Darstellern und Mitwirkenden auf die Bühne zu bringen und in beiden Städten und Regionen zu gastieren. Dazu gründete sie 1995 den in Stuttgart beheimateten Förderverein Deutsch-Französischer Kultur und initiierte die jährlich stattfindende Semaine francaise.

Ende 2009 kehrte sie nach Frankreich zurück und gründete in Paris die Association Champs MêlésCompanie Simone Rist mit der sie neue Theaterprojekte realisiert.

Fünf Fragen an Simone Rist

1. Wieso verwenden Sie in Ihren Stücken mehrere Sprachen?

Weil ich selber mehrere Sprachen spreche, und diese Sprachen so musikalisch und interessant klingen.

2. Haben Sie einen persönlichen Bezug zu Mehrsprachigkeit?

Ja, ich spreche mehrere Sprachen und mag das!

3. Welche Funktion haben diese Sprachen in ihren Texten?

Verschiedene:

a) Manchmal dienen sie nur einfach der Verständlichkeit, weil ich in einem Land spiele, wo Französisch nicht bekannt ist (z. B. eine Konzerttournee in Jugoslawien und in der Tschechoslowakei)

b) Andersmal spielen sie jeweils eine theatralische Rolle (z. B. Che te mo von S. Rist (UA 1976 in Göttingen), eine Phantasie über Sprache und Gesellschaft: „Che te mo“, eine phonetische Übernahme der deutschen Aussprache von „Jeu de mot“ (Sprachspiel).

c) Oder stehen sie direkt in Verbindung mit der Geschichte (z. B. in meiner Interpretation der Songbooks von John Cage, 1974 Hollandfestival)

d) Die Personen haben mehrere Konturen (z. B. in Les deux Phèdres von S. Rist) einer szenischen Konfrontation von Schillers vom Theater vergessener deutscher Übersetzung von Racines Tragödie Phädra, mit dem französischen Original. (UA, Kassel, zum 200. Todestag von Friedrich Schiller 2005)

4. Wie gehen Sie mit der Frage der Verständlichkeit bzw. Verständlichmachung um?

Das ist nicht die Hauptsache. Nie hat das Publikum gesagt, man hätte „nichts“ verstanden. Wichtig ist, wie es klingt und was die Menschen fühlen.

5. Haben Sie weitere Projekte in Arbeit, in denen mehrere Sprachen verwendet werden?

Ja!

a) A la recherche du son perdu, ein Stück über Neue Musik, in dem das Sprechen und die Sprachen die Hauptrolle spielen, und das nächstes Jahr gespielt werden soll.

b) Ein französisch-russisches Stück über Alexander Herzen und Ivan Turgenev, das noch im Schreiben entsteht.


Über die Reihe Mehr Sprachen, mehr Theater

m Zusammenhang mit ihrer Forschung zu Mehrsprachigkeit im Theater untersuchen und präsentieren Henning Bochert, Lydia Nagel und Barbora Schnelle in der Reihe Mehr Sprachen, mehr Theater Autorinnen und Autoren, die sich in ihrer Arbeit mehrerer Sprachen bedienen. Diese Portraits erscheinen in offener Reihe auf diesem Blog. Die gleichnamige Broschüre erscheint zunächst in limitierter Auflage und ist gegen eine Spende auf Anfrage an info@drama-panorama.com erhältlich, so lange der Vorrat reicht.