Hybride nannte Henning Bochert seine vielschichtig strukturierten Texte, in denen er die Familie in all ihren Facetten sprachlich verspielt analysiert.
In meiner Spezies, unserer Familie, wohnt genotypisch die Möglichkeit, Unangenehmes zu benennen so gut wie die, es zu ignorieren. Phänotypisch haben wir nun die Fähigkeit ausgebildet, Probleme, für die wir keine schnelle Lösung wissen, zu ignorieren. Wider das bessere Wissen, dass das alles nur noch schlimmer macht. Eine angeborene Unfähigkeit zur angemessenen Beschäftigung mit unbequemen Fragestellungen. Wir ziehen ein Leben in stummen Vorwürfen und verstockter, schwärender Kränkung vor.
– Das ist nicht spezifisch für deine Familie.
– Ich bin immer zu Familien mit anderen Verhaltensmustern geflohen. Ich bin ein eingeschworener Anhänger der Antipädagogik geworden. Und mittlerweile verpasse ich keine Folge von den Osbournes.
– Du willst mir nicht erzählen, dass du die Osbournes magst.
– Ich will streiten können wie sie. Das imponiert mir! Ich will keine Angst haben vor der Auseinandersetzung, ich will nicht, dass das Wissen, dass meine Meinung den anderen kränkt, mich daran hindert, sie überhaupt zu äußern. Das dominante Merkmal in unserer Familie ist Konfliktscheue.
– Und was folgt daraus?
– Ich will Kelly Osbourne sein.
[…]
Ich entdecke immer mehr Merkmale, die von meinen Eltern zu mir konstant sind. Man spricht nicht miteinander. Ist ernüchternd, festzustellen, dass dieselben Züge in denen und in mir stecken, wie böse Geister.
Es sind Theatertexte, also Texte zum Sprechen. Sie wurden bereits in performativen Lesungen in der Vierten Welt vorgestellt und vor kurzem auch bei der Lesung im Café Provinz (am 20. November 2015), wo der Autor selber las – emotional, sarkastisch, empört und humorvoll.
Weitere Lesungen folgen, versprach er. Mehr Infos gibt es dann auch auf unserer Website – also dranbleiben, denn es macht einen großen Spaß, mit Henning Bochert in die Tiefe des familiären Gefüge zu tauchen.
Barbora Schnelle