Schreiben, Übersetzen und Sprachen vermitteln in mehrsprachigen Kontexten
28.10.2024, 10:30-17 Uhr, Refugio, Lenaustraße 3-4, 12047 Berlin
Leitung:
Sivan Ben Yishai ist eine aus Israel stammende Dramatikerin, die ihre für die deutschsprachige Theaterlandschaft konzipierten Stücke auf Englisch schreibt, diese aber ins Deutsche übersetzen lässt und die deutsche Übersetzung ebenfalls als Original betrachtet.
Barbora Schnelle ist eine aus Tschechien stammende Übersetzerin, die zwischen dem Tschechischen und Deutschen in beide Richtungen übersetzt.
Wir leben in einer mehrsprachigen Gesellschaft, beharren aber immer noch auf einer hierarchischen Abstufung der einzelnen von uns gesprochenen Sprache und reden von Muttersprache, Herkunftssprache, Zweit- oder Drittsprache. Mit dieser Bezeichnung gehen auch bestimmte Rollen oder Kompetenzen der Sprachen einher. In welchen Sprachen soll oder darf man schreiben oder übersetzen? Wer legt diese fest und warum? Und wie beeinflussen sich die Sprachen gegenseitig? Wie funktioniert die Vermittlung zwischen mehreren Sprachen in einem Körper? Welche kreativen Energien werden hier freigesetzt, welche Kontexte bedient?
Und wie funktionieren kollaborative Prozesse zwischen Schriftsteller*innen und Übersetzer*innen, wenn die Autor*innen die Zielsprache der Übersetzung nicht verstehen? Wie lässt sich die eigene Arbeit transparent darlegen oder der übersetzerische Ansatz erläutern? Den Ausgang für diesen Werkstatttag bildet die Zusammenarbeit zwischen Barbora Schnelle und Sivan Ben Yishai, die sich beide in mehrsprachigen und kollaborativen Kontexten bewegen.
Programm:
Nach einer theoretischen Einleitung zu Mehrsprachigkeit im literarischen und psycholinguistischen Kontext werden Textbeispiele aus dem Werk von Sivan Ben Yishai besprochen und die dahinterstehenden Schreibprozesse und Fragen der Übersetzung und Übersetzbarkeit analysiert.
Die Erfahrungen oder Textarbeiten der Teilnehmenden sind willkommen.
Es gibt eine Mittagspause von 90 Minuten.
Die Werkstatt wird für bis zu zwanzig Teilnehmer*innen ausgeschrieben.
Die Werkstatt findet in einem fließenden Code-Switching-Modus auf Deutsch und Englisch statt.
Ausschreibung für die Werkstatt
Bitte meldet Euch bis zum 20. Oktober 2024 per E-Mail werkstatt @ drama-panorama.com mit einem kurzen CV und einer Beschreibung Eurer Motivation und Interesse (ca. 600 Zeichen) an und schreibt uns, welches Eure Sprachen sind. Ihr könnt Eure Textbeispiele einreichen, die wir während der Werkstatt gern einbeziehen und diskutieren.
Barbora Schnelle ist eine aus Tschechien stammende Theaterübersetzerin, Dramaturgin, Theaterkritikerin, Kulturmanagerin und Herausgeberin. Sie studierte Theaterwissenschaft und Ästhetik/Kulturwissenschaft in Brno, Berlin und Wien. 2001 promovierte sie am Institut für Theaterwissenschaft der Masaryk Universität in Brno mit ihrer Arbeit über die Theaterstücke Elfriede Jelineks (als Buch: Elfriede Jelinek a její divadlo proti divadlu/Elfriede Jelinek und ihr Theater gegen das Theater, Brno, 2006) und arbeitete hier als Universitätsassistentin. Sie ist Mitgründerin der „Internet-Theaterzeitschrift der sachlichen Wut“ Yorick. Seit 2001 lebt sie in Berlin und arbeitet als freischaffende Übersetzerin (Stücke von Elfriede Jelinek, Thomas Bernhard, Peter Handke, Werner Schwab, Maxi Obexer, Kathrin Röggla, Mehdi Moradpour, Wolfram Lotz, Sivan Ben Yishai u. a. ins Tschechische und Stücke von Roman Sikora, Eva Prchalová, Kateřina Rudčenková, Tomáš Dianiška u. a. ins Deutsche). 2009 gründete sie zusammen mit Antje Oegel den Verein „Drama Panorama: Forum für Übersetzung und Theater“, in dessen Rahmen sie seitdem Veranstaltungen und Workshops durchführt. 2014 gründete sie in Berlin das Festival neuer tschechischer Dramatik „Ein Stück: Tschechien“, das sie seitdem leitet und kuratiert. Als Gastdozentin unterrichtet sie an der Masaryk Universität in Brno und der Humboldt-Universität zu Berlin. 2018 erschien die von ihr herausgegebene Anthologie der tschechischen Gegenwartsdramatik Von Masochisten und Mamma-Guerillas im Neofelis Verlag.
Sivan Ben Yishai ist eine aus Israel stammende Dramatikerin und Regisseurin, die seit 2012 in Berlin lebt. Ihre Stücke werden auf den deutschsprachigen Bühnen viel gespielt und wurden mehrfach mit den wichtigsten deutschen Theaterpreisen ausgezeichnet. Mit dem Stück LIEBE/Eine argumentative Übung, das im Rahmen ihrer Hausautor:innenschaft am Nationaltheater Mannheim entstand, wurde sie zum Mülheimer Dramatikpreis 2020 eingeladen. Für WOUNDS ARE FOREVER (Selbstportrait als Nationaldichterin), das sich mit der palästinensisch-israelisch-deutschen Geschichte beschäftigt, erhielt sie den Mülheimer Dramatikpreis 2022. Für ihr Stück Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert, eine sozialkritischen Auseinandersetzung mit Ibsens Nora, erhielt sie den Mülheimer Dramatikpreis 2024.
2023 wurde ihr der Theaterpreis Berlin zuerkannt. Dabei wurde der Preis erstmals an eine Künstlerin vergeben, die sich um das deutschsprachige Theater verdient gemacht hat, ohne auf Deutsch zu schreiben.
Mit ihrem Stück Like Lovers Do (Memoiren der Medusa) in einer Inszenierung der Münchner Kammerspiele (Regie: Pınar Karabulut) war sie bereits 2022 zum Berliner Theatertreffen eingeladen und war 2023 mit Nora. Ein Thriller von Sivan Ben Yishai, Hendrik Ibsen, Gerhild Steinbuch, Ivna Žic (Regie: Felicitas Brucker) wieder vertreten. Ihre Theaterstücke werden u. a. von Maren Kames und Gerhild Steinbuch ins Deutsche und von Barbora Schnelle ins Tschechische übersetzt.
Künstlerische Projektleitung und Produktion: Henning Bochert und Barbora Schnelle
Produktion: Drama Panorama: Forum für Übersetzung und Theater e. V.
Gefördert vom Deutschen Übersetzerfonds.