Neue Übersetzungen internationaler Dramatik – Ungarn, Ukraine, Polen

Freitag, 26.05.2023, English Theatre Berlin

Kartonpapa, Regie: István Tasnádi, Premiere: 13.06.2021 im Szkéné Theater,
von links: Ádám Varga, Dorottya Udvaros, Péter Scherer, Foto: Orsi Torják.

15:00 Uhr
Ungarn: Gefangen im Patriarchat

István Tasnádi: Kartonpapa
Aus dem Ungarischen von Marianne Behrmann

Mit anschließender Podiumsdiskussion mit dem Autor und der Übersetzerin
Dramaturgie: Marianne Behrmann
Dolmetscherin: Christina Kunze

Die schwarze Komödie von István Tasnádi analysiert den Verlust eines tyrannischen Familienoberhauptes. Eva hat vor kurzem ihren angebeteten Mann Miklos verloren, kann mit der neuen Lebenssituation und der neu gewonnenen Freiheit nicht umgehen, ihre Trauer nicht aufarbeiten und tut so, als ob er noch immer am Leben wäre. Miklos herrschte bis zu seinem Tod über die Familie, und Eva musste keine eigenen Entscheidungen treffen. Die fallen ihr jetzt schwer, ja schon das Wort Freiheit erscheint ihr beängstigend. Sie schneidet also ihren Ehegatten aus Pappe aus und nimmt den „Kartonpapa” mit, wenn sie zusammen mit ihrem erwachsenen Sohn zu Verwandten fährt. Das Stück zeugt von tiefen Wunden durch patriarchale Strukturen im familiären Gebilde und zeigt, welche Schäden autoritäre Machtverhältnisse auch gesamtgesellschaftlich hinterlassen.

Eintritt ist frei, aber um Anmeldung wird gebeten.


17:00 Uhr
Ukraine: Reise durch ein zerrissenes Land

Anastasiia Kosodii: Timetraveller’s Guide to Donbas
Aus dem Ukrainischen von Lydia Nagel

Mit anschließender Podiumsdiskussion mit der Autorin und der Übersetzerin
Dramaturgie: Lydia Nagel
Moderation: Hannes Becker

Zwei Zeitreisende aus dem Jahr 2036 machen sich auf der Suche nach dem Ursprung des Krieges im Donbas auf den Weg ins Jahr 2013. In ihrem surrealen Roadmovie beschreibt Anastasiia Kosodii die Reise durch ein zerrissenes Land. Das Stück entstand für das Projekt „Krieg im Frieden“ des Internationalen Dramatiker:innenlabors in Berlin.

Eintritt ist frei, aber um Anmeldung wird gebeten.


20:00 Uhr
Polen: Bittere Commedia dell’arte in Zeiten der Pandemie

Ishbel Szatrawska: Totentanz. Schwarze Nacht, schwarzer Tod
Aus dem Polnischen von Andreas Volk

Mit anschließender Podiumsdiskussion mit der Autorin und dem Übersetzer
Dramaturgie: Andreas Volk
Moderation: Iwona Uberman
Dolmetschen: Agnieszka Grzybkowska

Das Stück war in der Endauswahl des renommierten Dramatikerpreises der Stadt Gdynia und fand sich auf der Shortlist des Stückemarktes des Berliner Theatertreffens (2022). März 2020 in Bergamo: Mitten im Lockdown zu Beginn der Pandemie geben Francesca und Luca, ein gutbürgerliches Ehepaar aus der Mode- und Fernsehbranche, ein üppiges Abendessen für ihre Nachbarn. Das Gesellschaftsdrama geht nach und nach in eine Commedia dell’arte, eine Oper, ein Fernsehdrama über und nimmt am Ende fantastische Züge an. Die Geschichte ist eingebettet in eine Totenmesse. Das Stück ist voller gelehrter Anspielungen auf die Geschichte, Gesellschaft und Kultur Italiens (Petrarca, Boccaccio, Pasolini), und über der Bühne schweben wie ein Damoklesschwert zwei unsichtbare Seuchen: Das Coronavirus tanzt einen fröhlichen Reigen mit dem Virus des Faschismus.

Eintritt ist frei, aber um Anmeldung wird gebeten.


Regie der szenischen Lesung am Freitag, 26.05.2023: Daniel Brunet

Es spielen: Mareile Metzner, Patrick Khatami, Friederike Pöschel, Lutz Wessel

Jede Veranstaltung dauert ca. 90 Minuten. Zwischen den einzelnen Lesungen gibt es Pausen.
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István Tasnádi ist Autor, Regisseur und Theaterwissenschaftler. Seit 1992 publiziert er regelmäßig Gedichte und Theaterstücke. Er war Mitbegründer und Dramaturg am Bárka Theater in Budapest, bevor er 2001 seine Arbeit als Hausautor und künstlerischer Kodirektor am Krétakör Theater begann. Sein literarisches Werk umfasst über 30 Stücke und Drehbücher, darunter z. B. Nexxt – Frau Plastic Chicken Show (Regie: Árpád Schilling), das zum Festival d‘Avignon eingeladen war. 1999 wurde István Tasnádis bekanntestes Stück, Staatsfeind Kohlhaas, mit dem Preis für das beste ungarische Nachwuchsdrama ausgezeichnet. Seine Werke werden in vielen europäischen Ländern, Russland und den USA gespielt. 

Foto: Ákos Túry
Foto: Anett Kállai-Tóth

Marianne Behrmann ist ungarische Germanistin, DaF-Lehrerin, Übersetzerin und Verlegerin. Mitglied bei Drama Panorama: Forum für Übersetzung und Theater e.V., Berlin. 2022 erschien der Roman des ungarischen Schauspielers Mihály Ozsgyáni: Mein Schleier rutschte ein wenig zur Seite in ihrer Übersetzung beim Frankfurter Ruhland Verlag.

Sie übersetzt auch die Romane der Schweizer Bestsellerautorin Damaris Kofmehl ins Ungarische sowie Stücke der Theaterverlage Hofmann-Paul, Deutscher Theaterverlag und Henschel Schauspiel. Zur Zeit arbeitet sie an einer Anthologie der neuen ungarischen Dramatik.


Foto: Ezra Rotthoff

Anastasiia Kosodii ist Dramatikerin, Regisseurin und Mitbegründerin des Theaters der Dramatiker:innen in Kyjiw. Ihre Stücke, wie zum Beispiel Was ist jüdische Musik (orig. Що таке єврейська музика) oder Acht kurze Kompositionen über das Leben der Ukrainer:innen für das westliche Publikum (orig. Вісім коротких композицій про життя українців для західної аудиторії), wurden an zahlreichen Theatern in der Ukraine und anderen Ländern gelesen und inszeniert.

2022 organisierte sie die Lesereihe Vom Krieg – Ukrainische Dramatiker:innen erzählen vom Leben während der Invasion durch Russland. In der Spielzeit 2022/23 ist sie Hausautorin am Nationaltheater Mannheim, wo im April 2023 ihr neues Stück Wie man mit Toten spricht (orig. Як говорити з мертвими) Premiere hat.

Lydia Nagel ist Slawistin und Kulturwissenschaftlerin und übersetzt seit über zehn Jahren kontinuierlich ukrainische Dramatik ins Deutsche. Sie ist Gründungsmitglied von Drama Panorama und translit e. V. sowie Mitglied im VdÜ. Zahlreiche Dramenübersetzungen aus verschiedenen slawischen Sprachen ins Deutsche, regelmäßige Stückempfehlungen für Verlage, Theater und Festivals, seit 2015 Leitung von Werkstätten zur Literatur- und Theaterübersetzung. 2022 Co-Leitung der Module Mehrsprachigkeit im Theater sowie Europäische Dramatik aus Polen und der Ukraine im Rahmen des Drama Panorama-Projekts panorama#2: übertheaterübersetzen.

Foto: Christina Kurby

Foto: Izabella Górska

Ishbel Szatrawska ist polnische Dramatikerin und Theaterwissenschaftlerin. Im Dezember 2019 debütierte sie mit dem Drama Objects in Mirror Are Closer Than They Appear in der E-Anthologie „Nasz głos“, die vom Stary Teatr in Krakau herausgegeben wurde. Weitere Dramen veröffentlichte sie in der Theaterzeitschrift „Dialog“: Jagd [orig. Polowanie] (Nr. 4/2020), Totentanz. Schwarze Nacht, schwarzer Tod [orig. Totentanz. Czarna noc, czarna śmierć] (Nr. 2/2021).

2020 erhielt sie das Künstlerstipendium der Stadt Krakau, in dessen Rahmen das Drama Katerina fehlt [orig. Kateriny brak] entstand. Preisträgerin des Stipendienwettbewerbs DRAMATOPISANIE (2021), das vom Zbigniew-Raszewski-Theaterinstitut organisiert wird. Im Rahmen des Stipendienprogramms entstand das Drama Freischaffender Scharfschütze [orig. Wolny strzelec] über den Krieg im Irak und den Sturz Saddam Husseins 2003. Ihr Stück Leben und Tod des Hersh Libkin aus Sacramento, Kalifornien [orig. Żywot i śmierć pana Hersha Libkina z Sacramento w stanie Kalifornia] wurde von Eurodram – European network for drama in translation in die „Polnische Auswahl“ aufgenommen.

Andreas Volk studierte Slawistik und Vergleichende Mitteleuropastudien in Berlin und Frankfurt (Oder). Von 2009 bis 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Collegium Polonicum in Słubice. Mitbegründer des deutsch-polnischen Übersetzungsjahrbuchs „OderÜbersetzen“. Redakteur der deutsch-polnisch-ukrainischen Literaturzeitschrift „radar“ (2009-2016). Übersetzer zeitgenössischer polnischer Dramatik, u. a.: Demirski, Górnicka, Lupa, Pałyga, Sikorska-Miszczuk, Słobodzianek, Szatrawska, Warlikowski. 2013 mit dem ZAiKS-Übersetzerpreis und 2022 mit dem Karl-Dedecius-Preis ausgezeichnet. 

Foto: Andrzej Walkusz

Künstlerische Projektleitung: Anna Galt, Charlotte Bomy und Barbora Schnelle
Produktionsleitung: Tine Elbel
Presse: Augustin PR

Mit diesem dreitägigen Lesungsfestival setzt Drama Panorama: Forum für Übersetzung und Theater e. V. die Veranstaltungsreihen PANORAMA #1 und PANORAMA #2: ÜBERTHEATERÜBERSETZEN, die in den Jahren 2021 und 2022, gefördert vom Deutschen Übersetzerfonds, erfolgreich stattgefunden haben, weiter fort.

Gefördert vom Deutschen Übersetzerfonds im Rahmen des Programms NEUSTART KULTUR der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Die Übersetzung des tschechischen Stücks „Sorex“ von Tomáš Ráliš wurde von der Akademie der musischen Künste in Prag gefördert. 

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