Mehrsprachigkeit im Theater

Mehrsprachigkeit im Theater
Podium und Werkstatttag
4. und 5. Oktober 2021

Winterreise von Exil-Ensemble, Regie: Yael Ronen, Maxim-Gorki-Theater 2017 | Bild: Barbara Braun/drama-berlin.de

English Theatre Berlin | International Performing Arts Center
Fidicinstraße 40, 10965 Berlin

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Unsere Gesellschaft ist postmigrantisch. Sie hat sich immer wieder durch zahlreiche Migrationseinflüsse verändert, ist reicher, vielfältiger geworden und wird von der Koexistenz vieler sich gegenseitig beeinflussender Sprachen und Sprachräume geprägt.

Wie spiegelt sich diese Situation im heutigen Theater wieder? Das deutsche Theater ist ein Kind des Nationalismus. Seit einiger Zeit wird das Narrativ des Nationaltheaters umgeschrieben. Sind mehrsprachige Inszenierungen eine mögliche Antwort auf die postnationale gesellschaftliche Realität? Mit welchem Zweck und welchem Effekt werden mehrere Sprachen eingesetzt? Wie werden mehrsprachige Stücke geschrieben? Und wie werden sie übersetzt?

In unserer Abendveranstaltung sprechen wir mit Theatermenschen, die neue und wegweisende Modelle der Mehrsprachigkeit für die Bühne entwerfen, und lesen aus mehrsprachigen Stücken. In der Werkstatt sprechen wir mit mehrsprachig arbeitenden Autorinnen, analysieren linguistische Aspekte des Themas und besprechen Texte der ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

04. Oktober 2021 – Podiumsdiskussion und Lesung

20:00 – 21:45 UhrIst die neue Bühnenrealität mehrsprachig?
Podiumsdiskussion
mit: Sophie Diesselhorst, Georgia Doll, William Gregory, Yael Ronen.
Moderation und Projektleitung: Barbora Schnelle und Henning Bochert
Dolmetscherin (Englisch/Deutsch): Irina Bondas
Lesungen ausgewählter Ausschnitte aus mehrsprachigen Texten:
Sivan Ben Yishai: Wounds are forever (Portrait als Nationaldichterin)
Georgie Doll: Das blaue Gold
Yael Ronen: The Situation
Einrichtung: Eberhard Köhler
Es lesen: Noureddine Chamari, Ariella Hirshfeld, Ariel Nil Levy

Wir sprechen mit reprästentativen Gästen über ihre jeweiligen Verfahrensweisen und Aspekte zur Theaterarbeit mit mehreren Sprachen. Die Diskussion wechselt sich ab mit kurzen Lesungen von Ausschnitten zeitgenössischer Stücke, die die diskutierten Ansätze exemplarisch erfahrbar machen.

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05. Oktober 2021 – Werkstatttag

10:30 Uhr – 12:30 UhrGespräche mit den Autor*innen Sivan Ben Yishai und Georgia Doll sowie der Übersetzerin Maren Kames
Moderation: Henning Bochert und Barbora Schnelle
12:30 Uhr – 14:00 UhrMittagspause
14:00 Uhr – 16:00 UhrTextwerkstatt
Impulsvortrag und Moderation: Lydia Nagel
16:00 Uhr – 17:00 UhrAuswertung
anschließendAusklang bei Aperitif

Der zweite Tag ist als Werkstatt für angemeldete Teilnehmer*innen konzipiert: Am Vormittag sprechen Barbora Schnelle und Henning Bochert mit Sivan Ben Yishai und Georgia Doll, die sich in ihrem Schreiben mehrerer Sprachen bedienen, sowie mit Ben Yishais Übersetzerin Maren Kames über ihre jeweiligen Arbeitsweisen. Die beiden Autorinnen vertreten unterschiedliche Herangehensweisen und Modelle der Arbeit mit mehreren Sprachen, die sie zusammen mit den Werkstatt-Teilnehmenden reflektieren. Die Übersetzbarkeit solcher Werke und das Verhältnis zum sprachlichen Transfer für die Bühne spielen eine zentrale Rolle.

Am Nachmittag spricht Lydia Nagel über das Übersetzen mehrsprachiger Texte aus sprachwissenschaftlicher Perspektive und arbeitet mit den ausgewählten Teilnehmer*innen an deren Texten. Dabei sollen auch die Erfahrungen aus den Gesprächen mit den Autorinnen berücksichtigt werden.

Gemeinsam fassen wir die Ergebnisse zusammen und diskutieren abschließend. Der Tag klingt bei einem Aperitif aus.


Biografien der Gäste

Sophie Diesselhorst

1982 in Berlin geboren, studierte sie Philosophie in London und Journalismus in Berlin. Seit 2007 ist sie freie Kulturjournalistin, seit 2011 Redakteurin beim Theatermagazin nachtkritik.de. Zu ihren Schwerpunkt-Themen zählen künstlerischer Aktivismus und transkulturelles Theater. Seit 2019 ist sie Kuratorin der Konferenz „Theater und Netz“ von nachtkritik.de und der Heinrich-Böll-Stiftung und hat in dieser Funktion die beiden Bücher „Netztheater. Positionen Praxis Produktionen“ (2020) und „Theater und Macht. Beobachtungen am Übergang“ (2021) mitherausgegeben.

(Quelle: S. Diesselhorst; Foto: Thomas Aurin)

Georgia Doll

Georgia Doll, 1980 in Wien geboren, wächst in Hamburg auf, wo sie 1999 ihr Abitur macht und Deutsche Sprache und Literatur mit Schwerpunkt Theater an der Universität Hamburg studiert. Im Rahmen eines Doppelstudiums macht sie einen Master in Theaterwissenschaften an der Université Toulouse le Mirail in Frankreich, anschließend ein Aufbaustudium „Theaterregie und Dramaturgie“ an der Université Paris X Nanterre. Sie studiert Szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin. Seit 2010 lebt Georgia Doll in Südfrankreich, wo sie mit ihrem Kulturverein Les Passagers du Mardi arbeitet. Sie inszeniert ihre Theaterstücke, arbeitet kunstpädagogisch mit Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen, macht partizipative Kunstprojekte und Schreibworkshops, auch in internationalen Kontexten (Bulgarien, Frankreich, Togo, Tunesien) und engagiert sich als kulturelle Mediatorin für Menschenrechte. Zurzeit arbeitet sie an ihrem ersten Roman und bereitet einen Artistic PhD an der Université Aix-Marseille zum Thema „Schreiben zwischen den Sprachen“ vor. Ihre Stücke werden in Deutschland, Frankreich, Österreich und Togo auf die Bühne gebracht. Georgia Doll schreibt in deutscher und französischer Sprache.

(Quelle und Foto: Georgia Doll)

William Gregory

geobren 1978, übersetzt vornehmlich zeitgenössische Theatertexte aus dem Spanischen. 2020-2021 war er einer der beiden ersten Hausübersetzer am British Centre for Literary Translation. Beim 2019 Valle-Inclán-Preis für die Oberon Anthology of Contemporary Spanish Plays war er Finalist. Seine Übersetzung von A Fight Against… des chilenischen Autos Pablo Manzi wird 2021 am Royal Cour Theatre in London uraufgeführt. In jüngerer Zeit wurden veröffentlicht: The Widow of Aplablaza vom chilenischen Autor Germán Luco Cruchaga (Inti Press) und The Uncapturable, die Memoiren des führenden argentinischen Theaterregisseurs Rubén Szuchmacher (Bloomsbury). Er ist Visiting Research Associate am King’s College Lodon, Mitglied des Spanisch-Amerikanischen Theaterkollektivs Out oft he Wings sowie Ausschussmitglied des Übersetzerverbands von Großbritannien (Translators Association of Great Britain).

(Quelle und Foto: William Gregory) (Ü: HB)

Maren Kames

Maren Kames wurde 1984 in Überlingen am Bodensee geboren. Sie studierte Kulturwissenschaften, Philosophie und Theaterwissenschaft in Tübingen und Leipzig, anschließend am Institut für Literarisches Schreiben in Hildesheim. Ihr Debüt HALB TAUBE HALB PFAU (Secession Verlag für Literatur, 2016) inszenierte sie in interdisziplinären Zusammenarbeiten vielfach in audiovisuellen Rauminstallationen und performativen Lesungen, unter anderem in Literaturhäusern Stuttgart und Freiburg, an der Kölner Oper sowie in der König Galerie Berlin. Mit LUNA LUNA (Secession Verlag, 2019) war sie für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Beide Bücher wurden als Hörspiele umgesetzt. LUNA LUNA wird 2022 am Schauspiel Leipzig als Bühnenstück zur Aufführung kommen. Seit 2017 übersetzt sie in enger Zusammenarbeit mit der Autorin sämtliche Theaterstücke und nahezu alle essayistischen Texte von Sivan Ben Yishai aus dem Englischen. Zuletzt wurde sie mit dem Literaturpreis der Landeshauptstadt Wiesbaden und dem Literaturpreis „Text und Sprache“ des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft ausgezeichnet.

(Quelle: M. Kames, Foto: Dirk Skiba)

Yael Ronen

wurde 1976 in Jerusalem geboren und lebt in Berlin. Seit der Spielzeit 2013/2014 ist sie Hausregisseurin am Maxim-Gorki-Theater in Berlin, arbeitet aber auch für das Schauspielhaus Graz, seit der Spielzeit 2015/2016 für das Volkstheater Wien und seit der Spielzeit 2016/2017 für die Münchner Kammerspiele. Ihr Stück Dritte Generation (UA 2008) mit israelischen, palästinensischen und deutschen Schauspieler*innen wurde zu zahlreichen Festivals eingeladen. Am Schauspielhaus Graz entwickelte sie Hakoah Wien (UA 2012), ein Stück über ihre eigene Familiengeschichte. Am Maxim-Gorki-Theater inszenierte sie u. a. Common Ground, ein Stück, das mit Schauspieler*innen aus dem ehemaligen Jugoslawien gemeinsam entwickelt wurde (UA 2014), The Situation (UA 2015), Denial (UA 2016), Winterreise, gemeinsam entwickelt mit dem Exil-Ensemble (UA 2017), Roma Armee (UA, 2017), Third Generation – Next Generation (UA 2019), (R)Evolution. Eine Anleitung zum Überleben im 21. Jahrhundert (UA 2020) und Death Positive – State of Emergency (UA 2020). Sie erhielt u. a. den Nestroy-Theaterpreis (2013 und 2016) und den Europäischen Theaterpreis für Neue Realitäten (2017).

(Quelle: Henschel Schauspiel Verlag, Wikipedia und Drama Panorama)

Sivan Ben Yishai

Sivan Ben Yishai, Autorin und Theaterregisseurin, lebt seit 2012 in Berlin. Sie studierte Theaterregie sowie Schreiben für das Theater an der Tel-Aviv-Universität und in der Schule für Visuelles Theater Jerusalem. Ihr Stück Your very own double crisis club wurde bei den Autorentheatertagen 2017 uraufgeführt, als erster Teil ihrer Tetralogie Let the blood come out to show them. Die Uraufführungen der drei weiteren Teile waren und sind am Maxim Gorki Theater Berlin zu sehen. In der Spielzeit 2019/20 war sie Hausautorin am Nationaltheater Mannheim. Sie wurde mit LIEBE/Eine argumentative Übung zum Mülheimer Dramatikerpreis 2020 eingeladen und war Stipendiatin der Kulturakademie Tarabya in Istanbul.

(Quelle: Suhrkamp-Verlag, Foto: Birgit Kaulfuss)

Irina Bondas

hat Dolmetschen und Politikwissenschaft in Leipzig studiert und lebt nach Studien- und Arbeitsaufenthalten u.a. in Edinburgh, New York und Lwiw als freiberufliche Übersetzerin und Konferenzdolmetscherin für Russisch, Englisch und Ukrainisch in Berlin. Im Bereich der Translatologie forschte und veröffentlichte sie zu Kultur- und Sprachtransfer im Theater, insbesondere zu Theaterdolmetschen. Neben Theater übersetzt sie Lyrik, Kurzprosa und geisteswissenschaftliche Fachliteratur. Ihr Mini-Drama Gipfeltreffen wurde 2010 am Schauspielhaus Bochum uraufgeführt.

(Quelle: irinabondas.de; Foto: Michael Kominek)

Werkstatt:

Lydia Nagel

Bild von Henning Bochert und Barbora Schnelle

Konzept & Moderation

Henning Bochert und Barbora Schnelle

panorama #1 übertheaterübersetzen, die neue Veranstaltungsreihe von Drama Panorama e. V., wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und den Deutschen Übersetzerfonds im Rahmen des Programms Neustart Kultur. An insgesamt sieben Thementagen sollen die vielfältigen Erscheinungsformen der Theaterübersetzung und ihre jeweiligen Spezifika publikumswirksam erforscht werden.