03.06.15 – Eva Prchalová

PressemeldungPDF

Ein Stück: Tschechien: Nachlese 2015
Eva Prchalová: Ajourarbeit

Lesung und Gespräch mit der tschechischen Autorin und Dramatikerin Eva Prchalová

Mittwoch, 3. Juni 2015, 19 Uhr

Tschechisches Zentrum Berlin, Wilhelmstraße 44, 10117 Berlin

In unserer Reihe „Ein Stück: Tschechien“ widmen sich Drama Panorama e. V. und Tschechisches Zentrum Berlin in der „Nachlese 2015“ erneut der tschechischen Gegenwartsdramatik. Dazu laden wir die tschechische Dramatikerin und Gewinnerin des Publikumspreises des Festivals tschechischer Gegenwartsdramatik „Ein Stück: Tschechien 2014“ Eva Prchalová zu einem einwöchigen Residenzaufenthalt nach Berlin ein und veranstalten eine Lesung ihres Stückes „Ajourarbeit“. Darin treffen zwei Paare und drei Sprachen in einer Berliner Wohnung aufeinander und stolpern über die fatalen Missverständnisse unserer Zeit.

Eintritt frei

Weitere Informationen zum Programm:

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Eva Prchalová

studierte Schauspiel an der Janáček-Akademie der musischen Künste in Brno. Sie lebt als freie Autorin und schreibt Theaterstücke, Erzählungen und Kindergeschichten. Ihr Stück Ažura (Ajourarbeit) erreichte 2008 den 2. Platz im Wettbewerb um den Alfréd-Radok-Preis in der Kategorie des besten tschechischen und slowakischen Theaterstücks, im gleichen Wettbewerb kam 2010 ihr Drama Závrať (Höhenangst) auf den 1. Platz. Gegenwärtig läuft ihr Stück Prší (Es regnet) im Repertoire des Theaters „Studio Dva”, und sie bereitet in Zusammenarbeit mit Halka Třešňáková ein Projekt mit dem Titel S hlavou bez paty (Mit Hand ohne Fuß) für den Experimentalraum NOD vor. 2010 gewann sie mit dem Text Hromnice, příběh tajemné stopařky (Die Donnerin, Geschichte einer geheimnisvollen Tramperin) den Hauptpreis im Wettbewerb des Albatros-Verlags. Im Oktober 2013 erschien ihr nächstes Kinderbuch mit dem Titel Cesta svatým Vít-ahem (Fahrt mit dem Hl. Aufzug).

AJOURARBEIT

Die Ausgangssituation ist klassisch: in einer Wohnung treffen zwei Paare aufeinander, wobei sich beim mehr oder weniger formalen Gespräch die Beziehungen verkomplizieren und die Probleme der Vergangenheit ans Licht kommen. Es begegnen sich Ina und ihr Mann Jan (beide Tschechen, sie eine zarte Frau, er ein gebildeter und pflichtbewusster Mann, beide um die dreißig) sowie der Kollege und Freund von Jan namens Uwe mit seiner neuen Freundin Claris (ein egozentrischer vierzigjähriger Deutscher und eine erheblich jüngere, vornehme und anziehende Französin). Jan hat Uwe eingeladen, der bringt überraschend seine Freundin mit. Claris, die Jan und seine Frau zum ersten Mal sehen, spricht kein Deutsch. Jans Frau Ina versteht wiederum nur Tschechisch. Aus den Sprachwirrungen entstehen etliche kundera’sche, aberwitzige Missverständnisse, die nicht immer zufällig daherkommen. Der ironische Untertitel des Stückes „Ein Volkslied“ weist darauf hin, dass jede Figur nur ihr eigenes Lied singt, ohne die anderen zu verstehen. Beim Wein kippt das Gespräch in Verstellung und Verleumdung. Die Situation wird kompliziert, als sich herausstellt, dass Claris doch Deutsch versteht und sich die Lügen ihres Freundes mit Vergnügen anhört. Im Laufe des Abends erfahren wir, dass Claris und Jan sich aus ihren früheren Zeiten aus Paris kennen. Ein Kind, von dem Jan nichts wusste, wirft die Beziehungen durcheinander. Die Ajourarbeit, an der seine Frau Ina seit Tagen arbeitete, steckt sich Jan dann symbolisch in die Hosentasche, als er mit Claris in die Nacht aufbricht.

Der Text gewann den 2. Platz in dem Alfréd-Radok-Wettbewerb 2008, den wichtigsten Preis für neue tschechische und slowakische Stücke.
Übersetzung ins Deutsche: Barbora Schnelle und Henning Bochert

Informationen über die Veranstalter:

In der Tschechischen Republik gibt es eine neue Generation von Theaterautoren, deren Texte eine Relevanz für den gesamteuropäischen Raum besitzen und die dennoch im Ausland kaum bekannt sind. Der Berliner Verein Drama Panorama: Forum für Übersetzung und Theater e. V. in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Zentrum Berlin will mit seinem Festival „Ein Stück: Tschechien“ diese Lücke schließen.

Drama Panorama: Forum für Übersetzung und Theater e. V. vernetzt als Forum die Arbeit von Theaterübersetzern und -autoren mit dem praktischen Theaterbetrieb und veranstaltet Workshops, Lesungen und thematische Podiumsdiskussionen zu Themen des internationalen Theateraustausches. Eines der Ziele von Drama Panorama ist es, neue, aktuelle fremdsprachige Stücke in deutscher Übersetzung vorzustellen. In der Vergangenheit waren Dramatiker/innen wie z. B. Dorota Masłowska, Małgorzata Sikorska-Miszczuk, Jolanta Janiczak (Polen), Minja Bogavac, Filip Vujošević (Serbien), Roman Sikora (Tschechische Republik), Tarell Alvin McCraney, Thomas Bradshaw, Andrea Stolowitz (USA), Valère Novarina, Simone Rist (Frankreich), Victor Hugo Rascón-Banda, David Olguin (Mexiko) oder Guillermo Calderón (Chile) mit ihren Stücken und z. T. in Podiumsdiskussionen bei den Veranstaltungen von Drama Panorama vertreten.

Tschechisches Zentrum Berlin zeigt seit 2012 in der eigenen Galerie TZB in der Wilhelmstr. 44 regelmäßig zeitgenössische Kunst, Design und auch internationale Dokumentarfilme zu aktuellen gesellschaftlichen Themen. Gelegentlich finden hier auch Diskussionen und Lesungen junger tschechischer Autoren statt. Darüber hinaus unterstützt das Tschechische Zentrum Berlin lokale Veranstalter aus allen Kulturbereichen und vermittelt Kontakte zu der tschechischen zeitgenössischen Kulturszene.

Ausblick 2016:

SLYSENI_plakat

Das Partnertheater für das Festival tschechischer Gegenwartsdramatik EIN STÜCK: TSCHECHIEN 2016, das im Juni 2016 stattfinden wird, ist gefunden: Wir werden das Theater Komorní scéna Aréna aus Ostrava mit dem Stück SLYŠENÍ (Arbeitstitel: AUDIENZ) von Tomáš Vůjtek in der Regie von Ivan Krejčí (Premiere am 28. 2. 2015) einladen.

Die Hauptfigur von Vůjteks Stück ist einer der Drahtzieher der nationalsozialistischen „Endlösung der Judenfrage“ – Adolf Eichmann. Er verlangt eine Audienz bei Gott und erläutert aus der Erinnerung heraus seine Taten.

Vůjtek stellt Aussagen aus dem Eichmann-Prozess in Jerusalem (1961-1962) Gesprächen gegenüber, die Eichmann in jovialem Ton in Argentinien mit Willem Sassen führte (beim Prozess waren diese Materialien nicht ausreichend bekannt und wurden nicht berücksichtigt). Der Autor verlegt Eichmanns „Geschichte“ in die tschechische Provinz und bringt seine Taten mit dem historischen Geschehen in Ostrava in Verbindung. Außerdem gibt es Vlastička, eine einfache tschechische Frau aus dem Volk, die sich mit jedem Regime arrangiert und jeweils ihren Vorteil daraus zieht. Vůjtek nutzt das Thema für eine Reihe satirischer Momente – so taucht im Stück etwa eine gelungene Persiflage der Wannsee-Konferenz auf. Das Stück endet in der Gegenwart und verweist auf das fortgesetzte antisemitische Denken heute.

Der Regisseur Ivan Krejčí arbeitet schon seit Jahren erfolgreich mit dem Dramatiker Tomáš Vůjtek zusammen. Das Stück SLYŠENÍ inszeniert er mit seiner einfühlsamen Methode der langsamen Öffnung dramatischer Situationen und steigert die Bewegung auf der Bühne allmählich in Richtung Zuschauerraum. Die Schauspieler des eingespielten Ensembles agieren in präzise stilisierten Gesten, allen voran Marek Cisovský in der Hauptrolle.
www.divadloarena.cz

Veranstalter:

Drama Panorama: Forum für Theater und Übersetzung e. V.

www.drama-panorama.com

Tschechisches Zentrum Berlin/České centrum Berlín

berlin.czechcentres.cz

Dramaturgie/Produktionsleitung:

Barbora Schnelle und Henning Bochert

Projektpartner:

Institut umění – Divadelní ústav Praha (Institut der Künste – Theaterinstitut Prag)

www.idu.cz, www.theatre.cz

Das Festival wird gefördert von:

Deutsch-tschechischer Zukunftsfonds

Institut der Künste – Theaterinstitut Prag

Mehr Informationen und Kontakt: info@drama-panorama.com